Erschöpft von Corona- wohin mit den Emotionen?

 

Die Welt befindet sich seit mittlerweile fast einem Jahr im Ausnahmezustand und die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zu einer gewissen Normalität schwindet. Der gefühlt endlose Lockdown schlägt kollektiv aufs Gemüt. In unterschiedlichem Ausmaß sind wir erschöpft von dieser Situation. Der Verlust von Perspektiven, Orientierung und Kontrolle verunsichert und macht müde. 

 

Hart geführte Debatten über die Sinnhaftigkeit einzelner Maßnahmen und die unterschiedliche Bereitschaft, diese auch zu befolgen, dringen bis in das engste Umfeld vor. Die Versuche, die Pandemie einzudämmen, machen überdrüssig und polarisieren. In den Familien, im Freundeskreis, im Arbeitsumfeld, auf social media.

 

Diskussionen werden mit zunehmender Vehemenz geführt. Schärfer und unnachgiebiger wird auf der eigenen Meinung beharrt und die Bereitschaft sinkt, gegensätzliche Ansichten gelten zu lassen.

 

Aber warum ist das so? Es geht längst nicht mehr nur um Meinungen, die aufeinanderprallen, sondern um die Emotionen, die dahinter liegen. Die eigene Meinung wird nur dann mit einer solchen Leidenschaft vertreten, wenn wir gefühlsmäßig stark involviert sind.

 

Und um welche Emotionen geht es?

 

Sehr häufig ist es Angst. Angst ist etwas, das wir nicht gerne fühlen und daher gerne hinter anderen Gefühlen verstecken. Und doch ist sie das eigentliche Thema vieler Debatten: Angst um die eigene Gesundheit. Angst um die Gesundheit Nahestehender. Angst um die psychische Gesundheit unserer Kinder. Angst um den Verlust der Arbeitsstelle. Angst vor den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Angst vor Isolation und Einsamkeit. Dazu kommt oft ein Gefühl von Ohnmacht, das Gefühl, der Situation hilflos ausgeliefert zu sein.

 

Überforderung, Unterforderung, das enge Aufeinandersitzen, die Isolation, lähmende Langeweile und die Bedrohung der eigenen Gesundheit – all das bewirkt Gefühle, die oft schwer auszuhalten sind.

 

Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie sich Gefühle ausdrücken, doch eines haben sie gemeinsam: Gefühle verschwinden nicht einfach. Wenn wir sie unterdrücken, bilden sie Symptome. Gefühle kann man nicht in den Lockdown schicken. Wenn wir sie nicht bewusst wahrnehmen, zeigen sie sich auf für uns und andere destruktive Weise:

 

Wir können einen Deckel darauf halten und sie in uns brodeln lassen wie in einem Vulkan, der immer wieder unverhältnismäßig ausbricht, um Druck abzulassen. Oder wir können unsere Gefühle so weit unterdrücken, bis wir sie gar nicht mehr fühlen. Dann stumpfen wir ab und erleben Emotionen generell nicht mehr in ihrer Vielfalt. Oder unsere unterdrückte Angst richtet sich nach außen als Aggression und Wut: Wut über die Maßnahmen, Wut über jene, die die Maßnahmen strikt einhalten, Wut über jene, die es nicht tun, Wut auf die Regierung, Wut über die ungerechte Verteilung der pandemiebedingten Belastungen.

 

Wohin also mit unseren Gefühlen?

 

Es gibt noch eine andere - gesunde- Möglichkeit, mit ihnen umzugehen: wir können unsere Gefühle fühlen. Wir können sie da sein lassen, statt sie zu verdrängen. Sie liebevoll akzeptieren. Hinhören, was sie uns zu sagen haben. Wir können ihnen den Raum geben, den sie brauchen, um sich zu zeigen und sie dann wieder gehen lassen.

 

Kunsttherapie ist eine wunderbare Möglichkeit, Gefühlen Raum und Ausdruck zu geben, sie zu erforschen und sich wandeln zu lassen und gut zu integrieren. Falls du Interesse an kunsttherapeutischer Begleitung hast, kontaktiere mich gerne (im Menü unter Praxis/Kontakt).

 

Ich möchte hier aber außerhalb eines therapeutischen Settings eine Möglichkeit vorstellen, Gefühlen auf spielerische und lustvolle Art ein Ventil zu geben. Sie eignet sich für Erwachsene gleichermaßen wie für Kinder: das Gestalten mit Ton.  

  Ton ist ein natürliches Material. Es ist in unterschiedlichen Qualitäten erhältlich und unterscheidet sich in Farbe, Feuchtigkeitsgehalt und Schamottierung. Die Tradition, aus Ton Gefäße zu formen, ist uralt. Es ist uns daher mehr oder weniger in die Wiege gelegt, mit Ton zu formen und uns dabei mit unseren archaischen Anteilen zu verbinden.

 

Ton ist bei ausreichendem Wassergehalt plastisch verformbar und wird spröde, wenn er getrocknet oder gebrannt wird. Viele assoziieren mit Ton vor allem gebrannte Keramik. Ich möchte dazu anregen, Ton auch als ein lebendiges Material zu begreifen, das flexibel und wandelbar ist und viel Gestaltungsspielraum lässt. Es ermöglicht, sich weniger auf ein Ergebnis auszurichten, sondern sich auf einen Prozess einzulassen. Es ist wohltuend, mit Ton zu spielen, zu experimentieren, ihn zu kneten und zu fühlen.

Ton kann Empfindungen wecken von „sich erden“. Er kann auch als schmutzig und unangenehm empfunden werden, dann ist er momentan nicht förderlich für dich. Das Matschen mit Ton kann Kindheitserinnerungen auslösen und Ressourcen freisetzen. Ton zu formen hilft, körperlich präsent zu sein im Augenblick, vor allem dann, wenn er direkt mit den Händen bearbeitet wird, ohne ein Werkzeug zwischen dir und dem Ton. Er kann helfen, weniger im Kopf zu sein und mehr im Spüren und dadurch zentrierend wirken. Auch aggressive Kräfte dürfen sich beim Gestalten mit Ton zeigen und ausgelebt werden: Ton kann auf den Tisch geschlagen und geworfen werden.

 

Ton kann ständig verformt werden. Wenn er zu trocken wird, kann Wasser hinzugefügt werden. Du kannst Ton so trocken oder matschig verwenden, wie du möchtest. Du kannst dabei nichts falsch machen, alles darf permanent verändert, rückgängig gemacht und neu begonnen werden.

Ton nimmt deine Emotionen auf und lässt sie sich allmählich wandeln.

 

Eine Emotion ist im Grunde nichts anderes als eine innere Bewegtheit. Wenn du Ton mit deinen Händen formst, bekommen innere Prozesse eine äußere Form. Wir haben in uns immer eine Tendenz Richtung Heilung. Was uns daran hindert, sind wir selbst mit unseren Blockaden. Emotionen da sein zu lassen, ist der erste Schritt.

 

Schritt-für-Schritt-Anleitung:

 

Sofern Geschäfte geöffnet sind, kannst du Ton in Bastelgeschäften und im Künstlerbedarf kaufen (z.B. bei Boesner oder Gerstaecker). Es gibt auch die Möglichkeit, ihn online zu bestellen (z.B. bei www.boesner.at). Ton ist sehr günstig meist in 10 kg-Gebinden um wenige Euro erhältlich.

 

Du brauchst kein Werkzeug, um Ton zu formen.

 

Stelle eine Schüssel Wasser bereit, um eventuell mit der Zeit ein wenig davon hinzuzufügen. 

Das Gestalten mit Ton ist auch eine großartige Sache für die ganze Familie, falls du Kinder hast. Es ist eine gemeinsame kreative Aktivität, die sehr oft auch Kindern Spaß macht, die man sonst nicht (mehr) so dafür begeistern kann. Und keine Sorge, wenn du gemeinsam mit Kindern gestaltest: Ton ist an sich ein sehr sauberer Werkstoff, da er in trockenem Zustand wie Staub zu entfernen ist und auch leicht aus der Kleidung auszuwaschen. Du kann deshalb auch ohne Unterlage arbeiten.

 

Ich möchte dazu anregen, ganz intuitiv und ohne Fokus auf ein schönes Ergebnis das Formen des Tones einfach zu genießen. Gerne auch mit geschlossenen Augen. Es muss nichts „Sinnvolles“ dabei herauskommen. Versuch, ganz präsent hier zu sein, mit all deinen Sinnen ganz in deinem Körper.

Lass dich auf das Material ein, statt ihm mühevoll etwas abzuverlangen. Lass dich überraschen, was zwischen dir und dem Material entsteht. Gut ist, was sich leicht anfühlt.

 

Kneten, verformen, neu formen, flach klopfen, eine Kugel formen, aus der Kugel eine Schale formen, diese wieder zusammendrücken, Ton auseinanderreißen und wieder zusammenfügen…

 

Wenn eine Form entstanden ist, die bleiben soll, lässt man diese einfach über einige Tage trocknen. Der Ton ist dann fest und kann sogar bemalt werden. Er ist jedoch nicht so stabil wie im gebrannten Zustand.

Um ein Austrocknen zu vermeiden, bewahre zum Schluss den übrigen Ton in feuchten Tüchern und einem Plastiksack auf. So bleibt er einige Wochen lang geschmeidig.

 

Ich hoffe, du hast beim Lesen neuen Input bekommen und Lust, Ton einmal auszuprobieren.

 

Schreib mir gerne, welche Erfahrungen du dabei gemacht hast!

 

Manchmal sind unsere Konflikte tiefgreifend und wir in unseren Handlungsmöglichkeiten so eingeschränkt, dass wir Unterstützung brauchen, um Schwierigkeiten zu überwinden. Wenn du allein anstehst und dir Begleitung wünscht, kontaktiere mich daher gerne für einen kunsttherapeutischen Prozess. Ich helfe dir dabei, dich frei und ohne Blockaden auszudrücken. Gemeinsam schauen wir, was sichtbar wurde und suchen Worte für das Erlebte und Entstandene. Wir finden heraus, welche Antworten du darin entdecken kannst und welche Möglichkeiten sich für dich daraus ergeben. 

 

Mein Blog soll dazu anregen, selbst zu gestalten und sich in kreativen Prozessen mit sich selbst zu verbinden. Die vorgestellten Übungen zur kreativen Selbsterfahrung sind nicht zu verwechseln mit Kunsttherapie. Kunsttherapie erfordert eine ausgebildete Kunsttherapeutin / einen ausgebildeten Kunsttherapeuten. 

 

 

Ich biete trotz Covid 19 und auch während des Lockdowns Kunsttherapie 1:1 mit ausreichenden Schutzmaßnahmen in meiner Praxis an, aber auch gerne online. 

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